Diakonie
Menschen und ihre Erfahrung mit Epilepsie
Ina MeinekeIna MeinekeIna Meineke, Musikerin und Kulturmanagerin Seit 27 Jahren lebe ich mit der Diagnose Epilepsie, mit der Krankheit sogar schon länger, da es erst einige Jahre nach ihrem Auftreten zur Diagnose kam. Gerade in meiner Kindheit und Jugend hat mir die Epilepsie das Leben nicht immer leicht gemacht: Plötzlich war ich von einem Moment zum anderen zutiefst traurig und zog mich zurück, was an den unangenehmen und so schwer einzuordnenden Vorgefühlen im unteren Bauch lag, die ich vor einem Anfall bekam. Der Anfall an sich war dann gar nicht so schlimm, eher die depressive Stimmung, die noch tagelang anhielt.

Im Laufe der Zeit habe ich meine Haltung der Epilepsie gegenüber verändert: In der gesamten Schulzeit habe ich die Krankheit bei Freunden mehr oder weniger verschwiegen, habe insgeheim immer gehofft, dass mir Anfälle in der Öffentlichkeit erspart blieben. Ich wollte nicht bemitleidet werden, weder von meiner Familie noch von meinen Freunden. Ich gab die Hoffnung nicht auf, dass die Epilepsie irgenwann weggehen würde. Nach dem Abitur begann ich offener mit der Krankheit umzugehen, habe für mich endlich kapiert, dass es keinen Grund dafür gibt, sich dafür zu schämen. Ich habe die Epilepsie akzeptiert und eingesehen, dass sie ein Teil von mir ist, zu meinem Leben dazugehört. Absolut kein angenehmer Teil, aber dennoch kein Grund, um mein Leben nicht so zu gestalten, wie ich es mir vornehme. Das zu machen, wozu ich Lust habe.

Glück hat in meinem Fall bestimmt auch mitgespielt: Meine Eltern haben mich nach der Diagnose (ich war 11 jahre alt) nicht überbehütet, obwohl sie sich bestimmt häufig Sorgen gemacht haben. Ich bin in einer Großstadt aufgewachsen, war also nicht zwingend auf ein Auto und auf Hilfe anderer angewiesen. Ich habe einen Beruf, bei dem es keine drastischen Folgen hat, wenn ich am Arbeitsplatz einen Anfall bekomme. Meine Kollegen sind darüber informiert. Und ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich, obwohl ich Medikamente nehmen muss, zwei gesunde Kinder bekommen habe und nach einer Operation seit acht Jahren anfallsfrei bin und hoffentlich bleibe.

Offen mit der Epilepsie umgehen, sie auch mal mit Humor zu nehmen, macht das Leben für einen selbst und das Verständnis und die Akzeptanz der Krankheit für alle einfacher. Erst kürzlich hat mir eine Freundin erzählt, die nach einem Unfall bei der Entlassung aus der Klinik von ihrer Ärztin über ein mögliches Restrisiko einer Epilepsie informiert wurde, nach einem ersten Schreck sogleich gedacht hat: „Aber Ina hat doch auch Epilepsie, dann kann das doch nicht so schlimm sein“.
Michael SchäferMichael Schäferleitet die Epilepsie-Selbsthilfe-Darmstadt e. V.
"Nur nicht aufgeben! Mein Leben mit Epilepsie war nicht immer einfach, aber trotzdem glücklich."

Ich heiße Michael Schäfer und habe seit fast 35 Jahren Epilepsie. Meine Eltern haben mich immer so akzeptiert, wie ich nun mal war und mir dies auch klar zu verstehen gegeben.
Aber besonders am Anfang, als ich mitten in der Pubertät meine Grand mal-Anfälle bekam, wurde nicht viel darüber geredet, sondern diese "seltsame" Krankheit eher verschwiegen.

Sehr schwer für mich war die Zeit, als ich begann, mich für Mädchen und das Thema Partnerschaft zu interessieren, und als sich meine ersten "Beziehungen" bildeten. Wenn ein Mädchen dann meine Epilepsie "live" miterlebte, hatte ich sie oft das letzte Mal gesehen - dies tat sehr weh. Und es war irgendwie schon schlimm für mich, dass ich mich von bestimmten Dingen aus meinem Leben verabschieden musste (Mofa fahren, Alkohol etc.).

Dann kam eine Zeit, wo ich nicht mehr einsah, dass ich bestimmte Dinge nicht machen durfte. Es wurden alle Medis ausprobiert und jedes Mal kam erneut Hoffnung auf, dass ich wieder gesund und "normal" werde würde.

Im Alter von 18 Jahren war ich dann so unvernünftig, habe meine Krankheit verschwiegen und sogar den Führerschein gemacht, welchen ich bei meinen regelmäßigen Anfällen sicher nicht hätte machen dürfen. Zum Glück verstand ich aber nach kurzer Zeit, dass ich beim Fahren eines Autos nicht nur mich, sondern auch andere Menschen gefährde und gab meinen Führerschein ab. Somit fahre ich seit 30 Jahren kein Auto mehr und habe gemerkt, dass man auch ohne Auto leben kann.

Fußball war früher mein großes Hobby und ich spielte viele Jahre im Verein, wobei ich nicht allen von meiner Krankheit berichtete, sondern nur bestimmten Freunden oder Trainern. Als ich ca. 25 Jahre war, ereignete sich ein Anfall mitten in einem Spiel und das war ganz schrecklich für mich. Die Reaktionen meiner Mitspieler fand ich allerdings sehr schön, denn sie besuchten mich abwechselnd im Krankenhaus und teilten mir mit, dass ich auch mit meinem Handicap dazu gehörte - dies hat mir viel Kraft gegeben!!

Die Leistungen in der Schule verschlechterten sich zwar, dies hing aber nicht nur mit meiner Krankheit zusammen, sondern hatte auch andere Gründe. Mit 19 Jahren machte ich einen recht guten Realschulabschluss und danach die Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel. Während der Ausbildung und beim Einstieg ins Berufsleben stand mir mein Cousin zur Seite, der überhaupt keine Probleme mit meiner Epilepsie hatte und mir sehr half, als junger Mensch zurechtzukommen. Mit seiner Hilfe lernte ich, auch als Mensch mit einem Handicap nicht alles auf die eigene Krankheit zu schieben. Außerdem unterstützte er mich dabei, mich beruflich zu verbessern.

Ich bewarb mich bei einer Bank - wobei ich damals meine Krankheit verschwieg - und wurde dort auch genommen. Nach acht Monaten bekam ich dann meinen ersten Anfall am Arbeitsplatz. Obwohl ich meine Krankheit verschwiegen hatte, wurde mir nicht gekündigt. Allerdings versuchte man, mich zu mobben, damit ich von alleine kündige, aber das tat ich nicht. Seitdem meine Kollegen aber einen großen Anfall "live" erlebten, besserte sich ihr Verhältnis zu mir - sie merkten, dass ich kein Handicap "vorgespielt" habe.

Nachdem bei mir sehr viele Medikamente nichts gebracht hatten, riet ein Neurologe mir, mich operieren zu lassen. Das lehnte ich aber damals noch kategorisch ab, ich hatte einfach zu viel Angst davor. Psychisch belastete mich das Thema Operation und die Angst davor sehr - ich machte mir immer wieder Gedanken darüber.

Mit 29 Jahren zog ich zwar recht spät bei meinen Eltern aus, bekam auch etliche Anfälle alleine in meinem neuen Zuhause, habe es aber nie bereut, meine Selbstständigkeit und Eigenständigkeit aufgebaut zu haben.

Fünf Jahre später wurde ich Vater und heiratete, die Ehe scheiterte jedoch - eine sehr harte Zeit für mich, zumal meine Ex-Frau mir mitteilte, dass sie sich aufgrund meiner Epilepsie von mir scheiden ließ. Meine Tochter besucht mich nun seit 12 Jahren fast jedes Wochenende und kommt sehr gut mit meiner Erkrankung zurecht. Ich glaube, dass Kinder manchmal lockerer und einfühlsamer sind, als man es ihnen zutraut.

Mit 39 lernte ich eine tolle Frau kennen, welche mich so liebt wie ich bin. Ich habe ihr von Anfang an von meiner Krankheit berichtet und wir sind nun seit acht Jahren ein Paar, haben uns ein Häuschen gekauft und leben glücklich miteinander.

Im Alter von 44 Jahren kamen die Anfälle dann etwas häufiger und ich ging in die Ambulanz der Uniklinik in Freiburg zu einer Epileptologin - dies werde ich nie bereuen!! Ich war zwar nur einen Tag dort, wurde aber sehr professionell untersucht und man nahm sich Zeit für mich. Auch das Thema Operation wurde nochmals angesprochen, mir aber nicht aufgedrängt. Man gab mir zu verstehen, dass man mir auch ohne Operation helfen könne. Mit anderen Worten: Mir wurde keine OP "aufgeschwätzt".

Ich entschloss mich, eine operative Voruntersuchung mit EEG-Monitoring zu machen mit der Möglichkeit, mich danach auch ganz klar gegen eine OP entscheiden zu können. Ich war jedoch so überzeugt von den Epileptologen dort, dass ich mich für eine OP entschied.

Anfallsfrei bin ich zwar nicht, aber die Anfälle kommen jetzt viel seltener - früher alle vier Wochen und nun alle 6 Monate. Das sehe ich als einen großen Erfolg. Auch fand ich es toll, in der Freiburger Uniklinik mit vielen Menschen auf einer Station zu sein, die ebenfalls Epilepsie hatten.

Wir hatten tolle Gespräche und es bildeten sich viele Freundschaften. Diese Tatsache spornte mich an, die Epilepsie-Selbsthilfe-Darmstadt e. V. zu übernehmen und dort einen Austausch von Menschen mit Epilepsie und/oder deren Angehörige zu leiten. Dies ist eine sehr interessante Sache und wir sind nun ca. 20 Personen "von jung bis alt".

Heute bin ich 48 Jahre "jung" und habe bisher kein einfaches, aber trotzdem ein glückliches Leben gelebt - trotz oder vielleicht wegen meiner Epilepsie.

Kontakt:
Epilepsie-Selbsthilfe Darmstadt e.V. - Michael Schäfer
Wilhelm-Leuschner-Straße 19 a
64319 Pfungstadt
Telefon: 05157 / 987686 (von 19:00 - 22:00 Uhr)
mobil: 0176 / 51001608 oder 0160 / 93135268
E-Mail: schaefermichael@online.de

Dieser Beitrag ist erschienen im epiKurier, Ausgabe 2/2012.
Wir danken für die Genehmigung, ihn auf unsere Website zu stellen.

Georg ThomaGeorg Thoma
"Epilepsie braucht Offenheit" Mit neun Jahren erkrankte ich an Epilepsie. Dank der Unterstützung meiner Eltern bin ich aber ebenso wie meine vier Geschwister aufgewachsen, nämlich ganz normal. Ich lernte mit der Krankheit zu leben. Auch ohne Führerschein reiste ich alleine durch Afrika, Südamerika und die Mongolei.

2003 entschied ich mich dann zu einer Operation, seit der ich anfallsfrei bin. Leider kann ich seitdem nur noch unscharf sehen.



Das war ein harter Schlag. Danach sah ich in nichts mehr einen Sinn in meinem Leben. Kraft gab mir erst wieder ein neues Ziel: der Marathon auf der Chinesischen Mauer. "Wenn ich das schaffe, bekomme ich das andere auch hin", dachte ich. Und so lief ich ein Jahr nach der Operation den Marathon in China. 600 Kilometer für Kinder mit Epilepsie. 2005 nahm ich an einem Lauf von Deutschland nach Italien teil.

Epilepsie braucht Offenheit. Auch heute noch müssen Betroffene und Angehörige mit Vorurteilen leben. Das liegt vor allem an der geringen Aufklärung und daran, wie man sich bei einem Anfall verhalten soll. Damit die betroffenen Menschen zudem Beratung und Unterstützung erhalten können, unterstütze ich die EpilepSIE-Stiftung der Diakonie in Hessen.
Anja ZeipeltAnja Zeipelt"Wer nicht kämpft hat schon verloren"Ewige Kämpferin und Frohnatur - das beschreibt mich wohl am besten. Und obwohl die Epilepsie längst nicht meine härteste Prüfung war, habe ich nie meinen Optimismus verloren. Ganz nach dem Motto: "Alles im Leben hat seinen Sinn". Die Epilepsie überraschte mich erst im Alter von 33 Jahren und veränderte, auch durch den Jobverlust, das Leben meiner Familie.

Doch ich machte auch positive Erfahrungen. Spielmannszug, Männerballett, Fasching, alle wissen von meiner Epilepsie, doch niemand scheut den Umgang mit mir oder meinen Anfällen. Ich denke, es ist mein offensiver Umgang damit. Ich schrieb ein Buch über meine Erfahrungen im ersten Jahr mit Epilepsie, frech, sarkastisch und auch nicht unbedingt bequem - aber es half mir.

Wie sehr, das konnte ich nicht ahnen. Durch dieses Buch entdeckte man mich als Epilepsiepatientenbotschafterin und mein Ausflug mit Epilepsie entpuppte sich dadurch buchstäblich als Reise. Heute helfe ich täglich Patienten mit Epilepsie und deren Angehörigen und versuche, ihnen Mut zu machen. Mein drittes Buch liegt in den Regalen und obwohl mich die Anfälle immer wieder einholen, gebe ich nicht auf. Ich spiele Hobbiefußball, schreibe Berichte und trainiere noch immer mein Männerballett. Denn ich lebe das, was Goethe sagte: "Auch aus Steinen, die in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen."

Webseite: www.anjazeipelt.de
Die Bücher von A. Zeipelt: Epi on Board und 100 Fragen zur Epilepsie

Roswitha DörrRoswitha Dörr"... auch ein junger Epileptiker, der gut eingestellt oder eine OP hinter sich hat, kann viele wunderschöne Berufe ausüben."Nur wer die Unbarmherzigkeit, die Ungnade und die Ungerechtigkeit kennt und einschätzen kann, kann mit seiner Lebenssituation umgehen.

Es ist schön, morgens ohne Muskelkater, Kopfschmerzen oder Benommenheit den Tag zu beginnen, die Natur zu erblicken und sich ganz einfach auf die nächsten Stunden erfüllt mit Arbeit oder Muße zu freuen. So stelle ich mir mein Leben vor.
Aber es ist nicht immer so!


So mancher Schatten stellt sich frühmorgens "krampfhaft" urplötzlich mit großem Ungestüm vor mich, und ein Gewitter entlädt sich in meinem Kopf. Dagegen bin ich machtlos. Es sei denn, den Ursprung des "Gewitters" spüre ich schon vorher. Ich habe meine Scham überwunden und mit Ärzten verschiedene Ursachen erforscht. Diese Erforschung geht jedoch nur mit einem Arzt oder einer Person meines Vertrauens, die sich selber mit diesen Aussetzern auskennen (Epileptologen). Bedingung ist auch die Beobachtung des eigenen Körpers, der auftretenden Symptome und das dementsprechende eigene Verhalten. In nunmehr ca. 45 Jahren habe ich gelernt nach diesen Kriterien zu leben und möchte jedem Betroffenen Mut machen: " Öffnet Euch!" Zeigt ruhig Eurer Umwelt, daß Ihr bzw. wir eine Bürde zu tragen haben, aber daß wir auch bereit sind, zusammen mit unserer Familie, Freunden, Ärzten des Vertrauens, diese Bürde zu tragen - und zwar mit WÜRDE, KRAFT UND GLAUBEN.

Nun bin ich in Rente und Hausfrau, aber auch ein junger Epileptiker, der gut eingestellt oder eine OP hinter sich hat, kann viele wunderschöne Berufe ausüben. Ich selber habe gleich mehrere Berufe erlernt und meinen
Spaß daran gehabt. Auf jeden Fall möchte ich einen gutgemeinten Rat mitgeben: sucht euch ein Hobby, das euch erfüllt und ablenkt. Nur wer die Unbarmherzigkeit, die Ungnade und die Ungerechtigkeit kennt und einschätzen kann, kann mit seiner Lebenssituation umgehen.

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